Die faszinierende Welt der Fraktale

Koch-Kurve und Schneeflocke

Helge von Koch

Helge von Koch

Die Koch-Kurve wurde 1904 von dem schwedischen Mathematiker Niels Fabian Helge Hartmut von Koch entdeckt. Sie ist eines der bekanntesten Fraktale überhaupt und ein Beispiel für eine Kurve, die überall stetig, aber nirgends differenzierbar ist. An ihr lässt sich keine Tangente anlegen, da sie praktisch nur aus “Ecken” besteht.

Die Koch-Kurve und die andere klassischen Fraktale wurden von Mathematikern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts als “Monsterkurven” bezeichnet, weil sie nicht den gängigen Vorstellungen geometrischer Objekte entsprachen und über höchst seltsame Eigenschaften verfügten.

Die Koch-Kurve

Konstruktion

Ausgangsobjekt zur Konstruktion der Koch-Kurve ist der sogenannte Initiator mit einer Seitenlänge L0 = 1.

Initiator

Initiator

Dieser Streckenabschnitt wird nun im 1. Iterationsschritt durch den Generator ersetzt, dessen vier Seiten N1 jetzt 1/3 der Länge des ursprünglichen Streckenabschnitts haben. Das mittlere Teilstück besteht aus zwei Streckenabschnitten, die im Winkel von 60° zueinander sowie zur Initiatorstrecke stehen.

1. Iteration (Generator)

1. Iteration (Generator)

Die Länge dieser Kurve u1 beträgt nun

{\it u_{1}} = \frac{4}{3} = {\it 1,3333...}

Hinweis: Die Einheit u steht normalerweise für den Umfang, soll aber hier verwendet werden, um den Zusammenhang zur Koch-Insel bzw. Schneeflockenkurve herzustellen.

Im 2. Iterationsschritt wird der Generator erneut auf die vier entstandenen Seiten angewendet und fortlaufend wiederholt.

2. Iteration

2. Iteration

Nun beträgt die Länge schon

{\it u_{2}} = \frac{16}{9} = {\it 1,7777...}

Die Strecke nach der 3. Iteration

3. Iteration

3. Iteration

Die Kurvenlänge wächst nun auf

{\it u_{3}} = \frac{64}{27} = {\it 2,3703...}

Nach der 4. Iteration sieht die Koch-Kurve schon so aus:

4. Iteration

4. Iteration

Die Länge berechnet sich demnach

{\it u_{4}} = \frac{256}{81} = {\it 3,1604...}

Abschließend noch die Abbildung des 5. Iterationsschrittes

5. Iteration

5. Iteration

Die Länge der Kurve beträgt:

{\it u_{5}} = \frac{1024}{243} = {\it 4,2139...}

Die Koch-Kurve kann sowohl mittels Lindenmayer- oder L-Systeme konstruiert werden, weitere Ausführungen dazu im Abschnitt “Andere Darstellungsmethoden”, als auch mit Hilfe sogenannter iterierter Funktionensysteme (IFS).

Länge

Da der Generator die Initiatorstrecke der Länge L0 = 1 durch N = 4 Seiten der Länge L = 1/3 ersetzt, beträgt die Länge der Kurve u für den 1. Iterationsschritt

{\it u_{1}} = \frac{4}{3}

Für jeden weiteren Iterationsschritt n gilt daher für das Berechnen der Teilstrecken

{\it N_{n}} = 4^n

der Längen

{\it L_{n}} = \left(\frac{1}{3}\right)^n

sowie der Länge der Koch-Kurve

{\it u_{n}} = N_{n} \cdot L_{n} = \left(\frac{4}{3}\right)^n

Wie zu erkennen ist nimmt die Gesamtlänge pro Iteration um 4/3 zu.

Da diese Konstruktion unendlich oft wiederholt werden kann, ergibt sich für die Koch-Kurve eine Länge von

{\it u_{\infty}} = \lim_{x \to \infty} \left(\frac{4}{3}\right)^n = \infty

Die Koch-Kurve hat somit eine unendliche Länge, belegt aber eine endliche Fläche.

Dimension

Die Koch-Kurve hat eine Hausdorff-Dimension von

{\it D} = \frac{log(4)}{log(3)} = \frac{0,602059}{0,477121} \thickapprox {\it 1,2618}

Selbstähnlichkeit

Selbstähnlichkeit bedeutet, dass jeder noch so kleine Ausschnitt eines Fraktals bei seiner Vergrößerung dem Ursprungsfraktal ähnelt. Die Koch-Kurve ist ein typisches Beispiel dafür. Nimmt man einen Teile und vergrößert ihn, so erhält man wieder die gesamte Kurve.

Dabei setzt sich die Selbstähnlichkeit bei jeder beliebiger Vergrößerungsstufe fort, die Skaleninvarianz der Koch-Kurve ist demnach eine direkte Folge ihrer Selbstähnlichkeit. Zu beachten ist jedoch, dass kein Konstruktionsschritt der Kurve selbstähnlich bzw. skaleninvariant ist.

Es wäre nämlich theoretisch möglich, diesen derart stark zu vergrößern, dass die Details verschwinden würden und man nur noch die eckige Struktur erkennen könnte. Die Selbstähnlichkeit bezieht sich daher nur auf das Grenzobjekt, das nach (theoretisch) unendlich vielen Iterationen entsteht.

Die Koch-Insel oder die Schneeflockenkurve

Konstruktion

Ausgangsobjekt zur Konstruktion der Koch-Insel ist ein gleichseitiges Dreieck mit der Seitenzahl N0 = 3 und der Seitenlänge L0 = 1 als Initiator.

Initiator

Initiator

Der Flächeninhalt A0 dieses Dreiecks wird mit der Formel

{\it A_{0}} = \frac{L_0^2}{4} \sqrt{3}

berechnet und beträgt in diesem Fall 0.4330 Flächeneinheiten.
Auf jede Seite dieses Dreiecks wird nun folgender Generator

Generator

Generator

angewandt.

Im 1. Iterationsschritt werden alle bestehenden Seiten gedrittelt und über dem mittleren Drittel nach außen ein gleichseitiges Dreieck errichtet, d.h. zur vorhandenen Figur nach außen hinzugefügt. Das mittlere Drittel der Seite wird entfernt.

1. Iteration

1. Iteration

Auf diese Weise entstehen drei neue Dreiecke, die vom Flächeninhalt her 1/9 so groß sind wie das ursprüngliche Dreieck.

Somit beträgt der Flächeninhalt A1 dieses Sterns

{\it A_{1}} = A_{0} + \frac{1}{4} \cdot 3 \cdot 4^{1} \cdot \left(\frac{1}{3}\right)^2 \cdot A_{0} = 0,5773

und sein Umfang u

{\it u_{1}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^1 = 4

Die weiteren Schritte erfolgen nach gleichem Muster. So entstehen in der 2. Iteration auf jeder Seite des Initiators vier neue Dreiecke, also insgesamt 3*4.

Im 2. Iterationsschritt hat die Koch-Insel bereits dieses aussehen:

2. Iteration

2. Iteration

Dessen Fläche wächst bereits auf

{\it A_{2}} = A_{1} + \frac{1}{4} \cdot 3 \cdot 4^{2} \cdot \left(\frac{1}{9}\right)^2 \cdot A_{0} = 0,6414

und der Umfang der Insel erhöht sich auf

{\it u_{2}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^2 = 5,3333

Die folgende Abbildung zeigt die 3. Iteration:

3. Iteration

3. Iteration

Das Ergebnis der berechneten Fläche lautet

{\it A_{3}} = A_{2} + \frac{1}{4} \cdot 3 \cdot 4^{3} \cdot \left(\frac{1}{27}\right)^2 \cdot A_{0} = 0,6699

und der Inselumfang steigt auf einen Wert von

{\it u_{3}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^3 = 7,1111

Mit dem 4. Iterationsschritt

4. Iteration

4. Iteration

erhöht sich der Flächeninhalt auf

{\it A_{4}} = A_{3} + \frac{1}{4} \cdot 3 \cdot 4^{4} \cdot \left(\frac{1}{81}\right)^2 \cdot A_{0} = 0,6825

und der Umfang auf

{\it u_{4}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^4 = 9,4814

Abschließend soll noch die 5. Iteration dargestellt werden:

5. Iteration

5. Iteration

Auch hier sei der Vollständigkeit halber der Flächeninhalt

{\it A_{5}} = A_{4} + \frac{1}{4} \cdot 3 \cdot 4^{5} \cdot \left(\frac{1}{243}\right)^2 \cdot A_{0} = 0,6881

und der Umfang genannt

{\it u_{5}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^5 = 12,6419

Wie sich anhand der einzelnen Iterationsergebnisse ersehen lässt, konvergiert die Folge für An gegen

{\lim_{x \to \infty}} A_{n} = \frac{8}{5} \cdot A_{0} = 0,6928

Der Umfang dagegen strebt nach Unendlich.

Umfang und Flächeninhalt

Der Umfang u des Ausgangsdreiecks beträgt 3. Im weiteren berechnet sich der Umfang der Koch-Insel nach folgender Formel:

{\it u_{n}} = 3 \cdot \left(\frac{4}{3}\right)^n

Das Bildungsgesetz für den Flächeninhalt An ist rekursiv und lautet in seiner explizierten Form

{\it A_{n}} = A_{n-1} + \frac{1}{3} \cdot \left(\frac{4}{9}\right)^{n-1} \cdot A_{0}

Die Anzahl der Seiten ist dabei

{\it N_{n}} = 3 \cdot 4^n

Dimension

Die Koch-Insel hat eine Hausdorff-Dimension von

{\it D} = \frac{log(4)}{log(3)} = \frac{0,602059}{0,477121} \thickapprox {\it 1,2618}

Selbstähnlichkeit

Im Gegensatz zur Koch-Kurve ist die Koch-Insel/Schneeflockenkurve nicht selbstähnlich.

Andere Darstellungsmethoden

Wie oben bereits kurz angesprochen, kann die Koch-Insel auch mit Hilfe des L-Systems oder Lindenmayer-Systems erstellt werden.

Bei den L-Systemen handelt es sich um einen mathematischen Formalismus, der zum Beschreiben biologischer Entwicklung dient. Das wesentliche Prinzip besteht im Ersetzen von Einzelteilen eines einfachen Objektes mittels Produktionsregeln.

Dieses Ersetzen kann rekursiv durchgeführt werden, wodurch L-Systeme zu den Ersetzungssystemen gehören.

Das L-System besteht aus einem Quadrupel G = (V, S, ω, P) von dem

  • V die Zeichen enthält, die als Variable angesehen werden sollen,
  • S die Zeichen enthält, die als Konstanten angesehen werden sollen (V und S bilden das Alphabet des L-Systems),
  • ω ein Wort über dem Alphabet ist, welches als Startwort oder Axiom des L-Systems bezeichnet wird sowie
  • P eine Menge von geordneten Paaren aus Wörtern über dem Alphabet ist, welche Ersetzungsregeln definieren.

Die Koch-Insel kann mit dem Alphabet V = {F} und S = {+,-} dargestellt werden. Für das Symbol F gibt nur eine einzige Ersetzungsregel.

Die Koch-Insel hat das Startwort ω = F–F–F und die Ersetzungsregel P = {(F → F+F–F+F)}, siehe folgende Abbildung:

Koch-Insel mittels L-System erstellt

Koch-Insel mittels L-System erstellt

Eine weitere Möglichkeit Koch-Kurven und Koch-Inseln darzustellen ist das iterierte Funktionensystem (IFS), auf das ich an dieser Stelle nicht näher eingehen möchte.

Fazit

Wenn man mit dem Berechnen der Koch-Kurve erst einmal vertraut ist, kann der Generator auch auf jede andere Fläche, wie z.B. einem Quadrat oder gleichseitigen Sechseck angewandt werden.

Die Seitenlänge, der Umfang und der Flächeninhalt wäre ohne größeren Aufwand mit etwas Nachdenken zu lösen.

Statt dem Hinzufügen von Dreiecken wäre auch das Herausnehmen denkbar, wie das Sierpinski-Dreieck eindrucksvoll beweist.

Auch das Verändern des Initiators bzw. Generators ist möglich, wie folgendes Beispiel demonstriert.

quadratischer Generator

quadratischer Generator

Es würde sich nach drei Iterationen folgendes Bild zeigen:

quadratische Koch-Kurve (Typ 1)

quadratische Koch-Kurve (Typ 1)

Das Anwenden dieser Verfahrensschritte muss nicht unbedingt auf die Ebene beschränkt bleiben, sondern kann auch auf dreidimensionale Objekte, wie einem Quadrat, einer Pyramide oder eines Tetraeders erfolgen. Als Beispiel sei hier der Menger-Schwamm genannt.

Ich hoffe, dass ich Euch die mathematischen Grundlagen der Koch-Kurve/Koch-Insel verständlich und nachvollziehbar erklären konnte.

3 Kommentare

  1. Icon Welt
    Claus Heuer

    Hallöchen, Herr Oliver Konow, leider sind jetzt schon 6 Jahre vergangen,
    und ich hoffe sehr,
    dass dumein Dankeschön noch universell empfangen kannst.
    Ich bin jetzt 65J und die täglich, politisch, multidimensionalen Infos
    machen mich unruhig. Da hilft mir deine Aufklärung über das Thema Fraktale
    und ich kann mich auf “eine” Sache, als Graphiker, positiv konzentrieren, und mit Inkscape – Vektor schön beschäftigen. Leider habe ich nur eine 2einhalb Erbsenrente, sonst würde ich dir eine Goldtaler-Kiste schicken.
    Gottes Segen, Gesundheit, Frohsinn und allen Erfolg,
    für Familie und Freunde ! Claus Heuer

  2. Icon Oliver
    Oliver Konow

    Hallo Claus,

    Danke, Dir auch viel Spaß!

  3. Icon Welt
    Henry

    Was ist euer Grund für den Besuch der Website? Ich bin wegen Recherchezwecken hier.

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